Der etwas andere Verkehr

Chaos pur

Diesen Beitrag möchte ich, Lara, dem Verkehr widmen. Vorne weg sei gesagt: komplett anders als der Deutsche. Wo in Deutschland Recht und Ordnung herrscht, dominieren hier in Bolivien das Chaos und die Spontanität. Doch damit ihr einen besseren Eindruck bekommt, beschreibe ich euch jetzt mal unseren Weg zu Arbeit.


Es ist kurz vor 8. Natha und ich verlassen unsere kleine Burg.Wir schließen ab und laufen unsere holprige Einfahrt hinunter Richtung Straße. Auf dem Weg zur Straße werden wir weniger freundlich von den hier lebenden Hunden begrüßt. Ob die Hunde einen Besitzer haben ist unklar. Hier in Bolivien gibt es sehr viele Straßenhunde. Mittlerweile haben wir die Straße erreicht und wir begeben uns Richtung Bushaltestelle. Ich schreibe bewusst die Anführungszeichen, denn diese entspricht nicht den deutschen Standards. Es handelt sich einfach lediglich um eine Straße an deren Seite eine Frau steht und Saltenas, typisch bolivianische Gebäcke, und Getränke verkauft.

 

HIer steigen wir jeden Morgen in unseren Trufi ein.
HIer steigen wir jeden Morgen in unseren Trufi ein.

Wir müssen nicht lange warten, die 103, unser Trufi, nähert sich schon. Wie jeden Morgen schmettern wir dem Fahrer ein Buenos dias! entgegen und sichern uns die letzte Reihe. Die letzte Reihe befindet sich im Kofferraum. Dieser wurde nämlich umgebaut. Hier prangt nun eine weitere Sitzreihe - eher eine Bank. Wir haben das Glück, dass unser Einstieg direkt am Anfang der Strecke liegt. So haben wir freie Platzwahl und auch zunächst Platz. Aber das ändert sich äußerst schnell. Noch nichtmal nach einer Minute hält unser Fahrer rechts am Straßenrand und lässt die nächste Person einsteigen. Hier in Bolivien herrscht nämlich das Prinzip Flosse Genosse. Möchte man nämlich in ein Fahrzeug einsteigen, so stellt man sich einfach an den Straßenrand und hebt die Hand. In einem oftmals riskanten Spurenwechsel zieht der Fahrer rechts rüber und hält an. Die Tür wird geöffnet und eine weitere Person quetscht sich rein. So ist nach wenigen Minuten das Auto voll.

 

Ein typischer Trufi
Ein typischer Trufi

Durch den geschickten Umbau sind nun 9 Personen in unserem Trufi. Jedes Stückchen Platz wird ausgefüllt. Wir saßen auch schon mal zu 11 in einem Trufi. Okay nicht alle saßen. Eine Frau stand in einer alles anderen als rückenschonenden Position zwischen Tür und Sitzen. War bestimmt nicht bequem. Aber ich mein: Wer hat schon Lust 1 Minute auf den nächsten Trufi zu warten?

Viel Platz ist hier ein Fremdwort!
Viel Platz ist hier ein Fremdwort!

Generell ist zu sagen: Wir warten echt nicht lange. Unsere Truffis fahren im Minutentakt. Ist uns mal ein Truffi zu voll kein Problem der nächste Truffi ist schon in Sichtweite. Also wir haben mit dem Warten kein Problem.

 


Mittlerweile haben wir unsere ruhige Gegend verlassen und befinden uns im bolivianischen Verkehr. Dieser ist besonders vom Chaos geprägt und vom Hupen. Die Bolivianer hupen echt zu jedem Anlass: Sei es zur Begrüßung, aus Ärgernis, das der Fahrer vor einem nicht sofort beim Erleuchten des Grünen Lichts losfährt, aus Langeweile, beim Stau, oder einfach beim Heranfahren an eine Kreuzung. Die Bolivianer kennen nämlich Rechts-vor-Links nicht. Oder sie haben einfach keinen Bock darauf. Ich mein Hupen ist ja auch viel einfacher!? Einmal hatten Natha und ich einen ziemlich penetranten Fahrer. Er hat es wirklich geschafft während einer 25-minütigen Fahrt 39 Mal zu hupen. Bescheuert oder? Das erklärt auch den hohen Lautstärkepegel.

 

Erneut halten wir wieder am Straßenrand. Diesmal möchte eine Person aussteigen. Das Aussteigen ist genauso simpel wie das Einsteigen. Mit den Worten Bajar oder Proxima esquina, por favor kann an jeder beliebigen Stelle ausgestiegen werden. Einfach, ne? Der Passant drückt dem Fahrer eine Münze in die Hand und geht. Bei dem Wert der Münze handelt es sich umgerechnet um 27 Cent. Spottgünstig. Das erklärt auch, warum der Verkehr hauptsächlich hier aus öffentlichen Verkehrsmitteln besteht. Bei dem Preis lohnt es sich nämlich nicht annähernd ein eigenes Auto zu finanzieren. Außerdem weiß man hier nie, ob es morgen noch alle Spiegel besitzt oder gar noch in der Einfahrt steht

Damit die Straßen nicht noch überfüllter sind, wird es folgendermaßen geregelt: An bestimmten Tagen dürfen die Fahrzeuge, deren Nummernschild auf eine bestimtte Zahl endet, nicht fahren.
Damit die Straßen nicht noch überfüllter sind, wird es folgendermaßen geregelt: An bestimmten Tagen dürfen die Fahrzeuge, deren Nummernschild auf eine bestimtte Zahl endet, nicht fahren.

Gerade lausche ich den Klängen eines ABBA-Songs. Es ist jedes Mal eine neue Überraschung welcher Musik ich heute lauschen werde. Manche Fahrer bevorzugen die Charts, anderer wiederrum hören Nachrichten und wieder andere lassen die mir noch fremden Klänge von typischen bolivianischen Liedern erklingen. Jedes Mal wie gesagt eine Überraschung.

 


Ich schaue aus dem Fenster. An mir fährt ein oranger Bus vorbei. Es handelt sich um ein Micro. Ich kann mich noch immer nicht ganz an den Anblick gewöhnen, es ist einfach so ungewohnt. Jeder von euch hat schon mal einen Micro gesehen. Also zumindest im Film. Und zwar ist ein Micro nichts anderes als ein alter amerikanischer Schulbus. In Amerika entsprachen diese nämlich nicht mehr den Sicherheitsstandards. Hier in Bolivien ist das aber kein Problem. Generell haben wir noch kein einziges Auto gesehen, dass auf den deutschen Straßen fahren dürfte.

 

Micro
Micro

Auch der Micro ist voll. Viele Menschen stehen. Für die Bolivianer ist das kein Problem. Für uns aber schon. Mit unserer Körpergröße stoßen wir nämlich an die Decke. Der eine oder andere amüsierte Blick wurde uns deswegen schon zugeworfen. Da wirklich jeder Zentimeter Platz genutzt wird, kam es schon mal vor, dass ich in der Tür stand. Bei offener Tür selbstverständlich. Sitzen geht aber auch ganz gut.

 

Bester Platz!
Bester Platz!

Mittlerweile haben wir fast unser Ziel erreicht. Ich bitte den Fahrer am Terminal zu halten. Wenige Meter später steht das Auto nach einem erneuten riskanten Spurwechsel am Straßenrand und ich bezahle. 4 Bollis 54 Cent für 2 Personen für über 25 Minuten Fahrt. Geht voll klar. Beim Aussteigen fällt es mir dann auf: Das Tacho und er Drehzähler befinden sich auf der rechten Seite. Das Lenkrad auf der linken . Der Fahrer hat also selbst an seinem Auto gebastelt. An den Anblick sind wir aber jetzt schon gewohnt. Oft kommt es auch vor, dass Tacho und oder Drehzähler nicht funktionieren. Wieso auch? Gibt doch Hupen! Genauso oft kommt es vor, dass im Auto offene Kabel liegen oder einfach mal nicht nur 1 Duftbaum vorhanden ist. Sondern 5. In 5 verschiedenen Düften. Ist doch klar.

 

Nathalie und ich befinden uns jetzt am Straßenrand und warten auf unser grünes Licht. Zwar gibt es hier unendlich viele Zebrastreifen, aber diese dienen nur zur Zierde. Kein Fahrer würde auf die Idee kommen an einem Zebrastreifen zu halten. Das Licht der Ampel springt auf Grün und wir können losgehen. Zur Sicherheit kontrollieren wir aber mehrmals den Weg, denn genauso wie das Rechts-vor-Links werden auch hier die Ampeln nicht sonderlich ernst genommen. Das Anschnallen übrigens auch nicht. Am Anfang haben wir beim Einsteigen noch immer vergeblich nach einem Anschnaller gesucht der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Aber auch daran gewöhnt man sich sehr schnell.

 

#Sicherheitpur #einHashtagmussdochsein
#Sicherheitpur #einHashtagmussdochsein

Heile sind wir auf der anderen Straßenseite angekommen. Selbstverständlich hat sich mindestens ein Auto nicht an die Ampel gehalten. Es hat uns dann aus dem Weg gehupt. Bolivien halt. Sowas passiert ständig. Es wundert mich bis heute, dass wir bei dieser rasanten und chaotischen Fahrweise noch keinen einzigen Unfall gesehen haben. Hoffentlich bleibt das auch erstmal so. Wir laufen die Straße entlang. Und werden öfters angehupt. Standard. Wenige Minuten später sind wir bei unserer Einrichtung angekommen. Wir klingeln und kurze Zeit später öffnet sich die Tür. Wir treten ein und entfliehen so dem Verkehr. Es ist ruhig. Das Hupen ist verstummt.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Paula W (Donnerstag, 01 Dezember 2016 07:05)

    Hallihallo ihr beiden!
    Das klingt ganz schön gefährlich...
    Geschwindigkeitsüberschreitung, Vorfahrtsfehler, §1 II StVO, ....
    So viele Verkehrsordnungswidrigkeiten :o ;)
    Passt auf euch auf!;)