Karneval in Suedamerika

Ein unvergessliches Wochenende

Departemento Nummero 7 – Check. Es ging für uns dieses Mal in das Departemento Oruru und zwar genau in die gleichnamige Hauptstadt dieses Departmentos. Oruru kann weder durch seine nicht vorhandene Schönheit noch durch ein angenehmes Klima überzeugen. Doch genau einmal im Jahr geht es in dieser Stadt so richtig ab. Alle Hotels sind bereits schon Monate ausgebucht, die Preise steigen ins Unermessliche, unzählige Einheimische und auch viele Touristen strömen herbei, die Hauptstraße wird zur Bühne und schlaflose Nächte rufen. Wir haben Karneval!

In Bolivien ist Oruru die Karnevalsstadt schlechthin. In dieser Zeit strömen Hunderttausende von Menschen in das kleine Städtchen und feiern Tag und Nacht Karneval. Alle schwärmen von dem Fest und das konnten wir uns schließlich nicht entgehen lassen. Für uns 4 Cochabambinos und unsere 2 Mitfreiwilligen aus Cochabamba Sopfl und Fee ging es also an dem Karnevalswochenende nach Oruru.
Mittlerweile ist Karneval schon über 2 Monate her, aber das Erlebnis war so einmalig, dass ich euch ausführlich von unserem 1. Karnevalstag in Oruru berichten möchte:


Dass zu dieser Zeit in Oruru Hochbetrieb herrscht, merken wir sofort am Terminal de Busses. Normalerweise kann man die Bustickets einige Tage vorher erwerben. Aber nicht an diesem Wochenende für Oruru. Kein einziges Busunternehmen will uns Bustickets im Voraus verkaufen. Es heißt, wir sollen am nächsten Morgen um 3 Uhr in der Früh erneut erscheinen und die Tickets kurz vorher kaufen. Dies ist uns allerdings zu riskant, weil aufgrund der enormen Nachfrage die Busse in kürzester Zeit ausgebucht sind. Mit unserem Gringo-Charme und ein bisschen Mehr Geld als sonst angesehen, können wir jedoch glücklicherweise noch Bustickets schon abends ergattern. Nochmal Glück gehabt!

Cochabambinos on tour!
Cochabambinos on tour!

Am Samstagmorgen geht es dann um circa 4.30 Uhr  los. Schlaftrunken geht es in den Bus und 5 Stunden später haben wir unser Ziel erreicht: Wir sind in der Stadt des Karnevals von Bolivien angekommen – Wir sind in Oruru! Das Terminal ist voller Menschen – keiner will sich das Ereignis des Jahres entgehen lassen. Vorher allerdings müssen wir uns noch einmal erleichtern. Also ab zum öffentlichen Klo des Busbahnhofes! Und genau dort erleben wir das Dreisteste unserer bisherigen Toilettenkarriere. Es ist leider zu sagen, dass wir bei unserer großen Reise am Anfang des Jahres leider Gottes ziemlich oft Bekanntschaft mit öffentlichen Toiletten machen mussten: Mit nicht abschließbaren, teilweise brusthohen Türen (immerhin ne Tür; manchmal war keine da), vollgekac**** Klos, fehlenden Klobrillen, nicht funktionierenden Abziehern, bla bla bla kennen wir uns leider mehr als gut aus. Auch wussten wir, dass die Bolivianer und besonders die Indigenas mehr als dreist sein können. Oruru hat allerdings alles an der bisherigen Dreistigkeit überbieten können. Es fängt damit an, dass die Bolivianer das Prinzip des Anstellens nicht kennen. So wird sich munter vorgedrängelt und ordentlich geschupst. Kennen wir allerdings schon ziemlich gut. Kaum hat man allerdings seine „Kabine“ betreten, fingen die wartenden Indigenas an die Tür fast zusammenzukloppen. Es folgt ein Geschrei, dass man doch schneller pinkeln sollte und sich gefälligst zu beeilen hat. Absolute Dreistigkeit!!

Wie bereits erwähnt sind Monate vorher alle Hostels und Hotels bis auf den letzten Platz ausgebucht. Wir hatten allerdings unfassbar großes Glück. Die Eltern einer bolivianischen Bekannten besitzen ein kleines, bescheidenes, sehr zentral gelegenes Häuschen in Oruru. Und genau in diesem Häuschen dürfen wir für eine Nacht unterkommen. Zu 6 teilen wir uns also einen kleinen mit Matratzen ausgelegten Raum. Sehr einfach und auch sehr kalt, aber es hat absolut gereicht. 

Von der Musik, die bis zu unserem Haus dröhnt, wurden wir quasi magisch zum Geschehen hin angezogen. Bereits auf dem Weg dorthin erblicken wir wunderschöne und farbenprächtige Kostüme – aber dazu später mehr. Schnell stellen wir fest, dass der ganze Kontinent diese verrückten Tage nicht nur bunten Umzügen, sondern auch mit ganz viel Wasser und Sprühschaum feiert. So gut wie jeder zweite Karnevalsbesucher besitzt nämlich eine Sprühflasche und besonders wir Gringos waren beliebte Ziele des Schaumes. Nach wenigen Minuten waren wir so von oben bis unten mit Schaum bedeckt. 

Die Stadt ist komplett auf den Karneval ausgerichtet. Überall sind an den Rändern der Straße Sitztribünen errichtet, an jeder Straßenecke ist Bier zu erwerben und alles ist bunt geschmückt. Menschen, so weit das Auge reicht, es ist ein absolutes Gedrängel. 

Wir machen uns auf den Weg nach einem guten Sitzplatz. Schnell finden wir eine geeignete und für uns arme Freiwilligen erwerbbare Sitztribüne. Direkt in der ersten Reihe – yeah! Schnell werden die ersten Kontakte geknüpft und wir werden auf das ein oder andere Bierchen eingeladen. #Gringobonus. Praktisch ist, dass im Minutentakt Verkäufer an der Tribüne und Essen, natürlich Bier, Regenponchos und die Sprühflaschen verkaufen. So muss man sich noch nicht einmal von seinem Tribünenplatz wegbewegen. Praktisch. 

Die Menschen stehen auf der Tribüne. Sie trinken, tanzen, singen. Sie feuern die Tanzgruppen an, die in wundervollen Kostümen die Straße entlangtanzen. Es ist eine ausgelassene Stimmung. Und wir sind mitten im Getümmel. Wir tanzen mit den Tänzern mit, probieren verschiedene Musikinstrumente aus, trinken, lachen, feiern. Es ist einfach nur fantastisch. 

Oruru bietet fast alles, was man von dem brasilianischen Karneval in Rio kennt: Außergewöhnlich schöne Mädchen und Frauen in bunten oder glitzernden – mal mehr, mal weniger kurzen Gewändern, brüllende Männergruppen mit dicken Schulterpolstern und Glockenstiefeln, lautstark spielende Musiker, Menschen in riesigen wolligen Bärenkostümen, neben Teufelsmasken tanzen mit wunderschönen Federschmuck verzierte Tänzer die Straße entlang. Es ist alles dabei. Es glitzert und funkelt, der Bass der Trommel fährt durch unsere Körper. Alles ist farbenfroh. Lebhaft. Unbeschwerlich. Heiter. Beeindruckend – Es ist Karneval in Oruru. 

Thomas hat uns mittlerweile verlassen. Er bereitet sich für seinen großen Auftritt vor – er wird beim bolivianischen Karneval mittanzen. Schon seit Monaten trainieren er und seine Caporales-Gruppe (wer mehr ueber die verschiedenen bolivianischen Taenze erfahren moechte, klickt hier) für Oruru. Seinen Auftritt dürfen wir uns natürlich nicht entgehen lassen!
Mittlerweile hat es angefangen zu regnen. Trotz meiner 5 Schichten Kleidung und Regenponcho wird mir kalt. Es heisst, dass Thomas um circa 22 Uhr abends mit dem Tanzen beginnt. Unsere Tribüne liegt auf der Hälfte der Tanzstrecke. Eine Tanzrunde benötigt etwa 4 Stunden. Also sollte er uns circa um 12 Uhr erreichen. Nach deutscher Rechnung. Wir sitzen auf unsere Tribüne und kuscheln uns eng aneinander, damit uns wärmer wird. Wir nennen es die Pinguintaktik. Es regnet mittlerweile so stark, dass die Straße eine Sinnflut gleicht. Die Plane fängt das Wasser von oben zum Glück großteils ab. Allerdings füllt diese sich zusehend mehr und mehr mit Wasser und droht überzulaufen. Wir flüchten uns in die nächstbeste und offene Kneipe und warten im Trockenen auf Thomas. Mittlerweile ist es schon 2 Uhr in der Früh. Bolivianer kennen das Wort Pünktlichkeit nicht. Wir warten im Endeffekt noch 2 weitere Stunden. Dann endlich dürfen wir einen überglücklichen Thomas in die Arme schließen – endlich hat er unsere Tribüne erreicht. Ein wundervoller Karnevalstag geht für uns zu Ende.

2 Wochen später wurde ein weiteres Mal Karneval gefeiert. Dieses Mal bei uns in Cochabamba. Auch hier gilt wieder: Ein einmaliges Erlebnis! Einen weiteren Blogeintrag darüber möchte ich euch aber ersparen. Worüber unser nächster Blogeintrag ist, kann ich leider noch nicht genau sagen, aber vielleicht werde ich euch über meinen 19. Geburtstag berichten – es war ein wunderschöner Tag.
Auf jeden Fall bis bald!
Lara <3

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